Tonabnehmer - Eine Frage des Systems
Welches Tonabnehmersystem führt ins Klangnirwana? Laut Fachpresse gibt es "große" und "kleine" Systeme. Wie das Foto beweist, sind alle Typen in etwa gleich groß. Das kann also kein Wegweiser sein. Vielleicht ist mit "groß" und "klein" aber auch nur der Verkaufspreis gemeint. Aber auch das hilft nicht weiter. Denn "Billigsysteme" können in entsprechendem Umfeld großartig aufspielen. Also: Nix glauben, selber Ohren spitzen.
Nicht der kleinste Fehler ist erlaubt, wenn es um höchsten Schallplattengenuß geht. So die Aussage der Tonabnehmerfirma Shure in der eindrucksvollen Werbeanzeige von 1962. Und man sieht, dass das Shure-Spitzenmodell damals so viel gekostet hat, wie ein ausgewachsener Plattenspieler vom Format eines Garrard 301 oder Thorens TD 124.
Am gespannten Faden geführte Nadelträger gab es nicht nur bei Decca-London. Dieses Mono-Muster stammt vom weniger bekannten Kleinserien-Hersteller A.R. Sugden und wurde unter dem Namen "Connoisseur" vermarktet. Es funktioniert nach dem Moving Iron-Prinzip, und der Nadelträger ist hier sogar zu beiden Seiten mittels verdrilltem Faden geführt. Stellt sich wieder die Frage: Wer hat von wem abgeschaut? Das "Connoisseur" wurde samt Mk.II-Tonarm bereits 1957 vorgestellt.
Zwei typische Normalo-Systeme aus den siebziger Jahren. Links ein ADC, rechts ein für Dual zugeliefertes Audio Technica. Beachtlich ist die unterschiedliche Größe der Abtastdiamanten. Beidesmal ist auch gut die leichte "Rückenlage" des Diamanten zu erkennen. Sie sollte beim Abtasten dem 20 Grad-Winkel des Matrizen-Schneidstichels entsprechen. Im unbelasteten Zustand (wie im Bild) muss der Winkel also noch etwas extremer stehen. Durch den Auflagedruck wandert der Nadelträger in eine flachere Position, der Abtastwinkel wird also etwas geringer. Der "dicke" Diamant des ADC kann übrigens dann von Vorteil sein, wenn häufiger alte Monoplatten auf den Teller kommen.
Zwei Tonabnehmer-Vertreter mit nackten Abtast-Diamanten. Beim linken JVC-System ist kaum etwas zu sehen, so winzig klein sind diese Wunderwerke der Diamantenschleifkunst. Auf der rechten Seite wird ein in die Holzaufnahme mittels Schrauben geklemmtes Bang&Olufsen-System gezeigt, dessen Nadelträger nach dem Raumnadelprinzip abgestützt ist. Durch Kippen des Systems im Aufnahmeträger lässt sich der Trackingwinkel noch trimmen. Um merkliche Unterschiede festzustellen, sind oft deutliche Positions-Änderungen erforderlich.
So etwas nennt man Serientoleranz in der Budget-Klasse. Bei diesen beiden Audio Technica AT 95-Systemen ist schon mit bloßem Auge zu erkennen, dass der Tracking-Winkel nicht stimmt. Beim linken System steht der Diamant bereits im entlasteten Zustand negativ, beim rechten System scheint die Achse des Diamanten ziemlich genau im rechten Winkel angeordnet. Beide Systeme müssten also im Betrieb mit hinten deutlich angehobenem Arm "gefahren" werden. Bei den geforderten 20 Grad wäre das auf die Tonarmlänge übertragen aber schnell mal sechs, sieben, acht Zentimeter. Eine (sinnvolle) Brutalo-Massnahme wäre, den Nadelträger entsprechend zu biegen. Es soll kaltschnäuzige Analogis geben, die vor derartigen Maßnahmen nicht zurückschrecken.
Beispiel aus der High End-Abteilung. Hohles Borröhrchen mit Querbohrung für den eingeklebten, nackten Abtastdiamanten. Wie zu sehen, steht der Diamant zum Boron-Nadelträger im negativen Winkel gekippt. Der passende Trackingwinkel wird durch den speziellen Schliff des Diamanten erreicht. Fertigungstechnisch ist das vom Feinsten.
SO KLEIN UND SCHON SO TEUER
Eines vorab: Der Musik-Wiedergabe vom Trägermedium Schallplatte zu lauschen bedeutet, sich mit altertümlicher, mängelbehafteter Technik auseinanderzusetzen. Wie es auch das schönste Kodachrome-Farbdia nicht schafft, die Wirklichkeit an die Wand zu projizieren, so wenig gelingt die vollkommene Reproduktion eines akustischen Ereignisses mittels Schallplattenaufnahme. Man kann allerdings möglichst viel von der in der Rille gespeicherten Musik zu Gehör bringen. Um mehr geht es nicht - aber auch nicht um weniger.
Viele Leser dieser Seite fragen: Welches System passt am besten zu meinem Plattenspieler/meiner Anlagenkette? Angesichts der uferlos vielen Kombinationsmöglichkeiten sollte man sich deshalb vor ultimativen Empfehlungen hüten. DIE einzige und wahre System-Empfehlung wird es nicht geben. Auch weil Vorlieben und Gewohnheiten jedes Musikliebhabers differieren.
In der Praxis zeigt sich auch immer wieder, dass vermeintliche Einfachsysteme, wie etwa das gerne unterschätzte Shure M 75 samt simpler Rundnadel, in entsprechenden Spieler-Armkonstellationen grandios aufzuspielen vermögen. In diesem Zusammenhang möchte ich zudem ausdrücklich auf die Wichtigkeit eines hochwertigen Phono-Vorverstärkers hinweisen. Wenn der Flaschenhals gleich nach dem Tonabnehmer-System kommt, nützt auch das tollste Edelsystem mit Super-Fineline-Nadel nichts. In Sachen Tonabnehmer-System rate ich generell zu Fabrikaten von größeren Fachbetrieben, die bereits jahrzehntelange Erfahrung im Bau von Tonabnehmern haben. Etwa Ortofon, Grado, Goldring, Denon oder Audio Technica. Dort stimmt in der Regel die Fertigungspräzision.
Umgekehrt könnte man auch sagen, teure Systeme spielen nur deshab "besser", weil sie in aller Regel in sehr weit entwickelten Anlagen betrieben werden.
Edelsysteme spielen auch deshalb besser,
weil sich die Betreiber generell mehr Mühe mit Feinjustage und Abstimmung geben.
Oft trifft man bei einschlägigen "High End"-Marken auf umetikettierte Serienware anderer Hersteller, die dann mit erstaunlichen Preisschildern angeboten wird. Das bewährte AT 95 E von Audio Technica ist beliebter "Rohstoff" und wird von diversen Anbietern mit zum Teil drastischen Preisaufschlägen in Umlauf gebracht (aktuell bis in die Gegend von 1500 Euro). Zu erkennen sind die AT 95-Derivate stets an den typischen V-förmig am Nadelträgerfuß angeordneten Magnetstiften. Auch das bewährte Denon DL 103 taucht in neuen Gehäusen und manchmal auch getauschtem Nadelträger gerne mit stolzen Preissprüngen am Markt auf. Dagegen ist nichts zu sagen, wenn mit offenen Karten gespielt wird, und man dem Kunden nicht die Geschichte vom Pferd erzählt (brandneue Eigenentwicklung, Spezialmagnete...). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das Versagen der so genannten Fachpresse. Leser werden über derartige Hintergründe nicht - oder wenn, dann nur verschleiernd - informiert. Der Hersteller/Anzeigenkunde scheint also im Verlagsranking vor dem Leser zu kommen.
Einen Hinweis möchte ich mir dennoch erlauben. Richtig ist immer das System, das Sie vermissen, wenn Sie es gegen ein anderes ausgetauscht haben. Suchen und Ausprobieren ist die Lösung, gemäß der alten Erkenntnis: Der Weg ist das Ziel.
Generell sind Hörgewohnheiten und vor allem das ausgewählte Schallplattenmaterial die Richtungsweiser. Das Gros der heute angeboteten Abtaster richtet sich an LP-Hörer, die Stereo-Platten mit ab den siebziger Jahren produziertem Programm-Material, zumeist Populärmusik, auf den Teller legen. Wer etwa Opernaufnahmen in maximaler Transparenz genießen möchte, braucht eine Anlage, die das Musikgeschehen fein auflösen kann. Eine Bassgranate ist dann weniger gefragt, eher ein System, das die Mitten und besonders die Stimmlagen gut transportiert.
Wer gerne alte Single-Schallplatten hört, möglicherweise noch in Mono, der sollte nach einem robusten Abtaster Ausschau halten, der die meist schon stark mitgenommenen Monorillen voluminös und mit geringem Störpegel (Lagerfeuer-Knistern) auslesen kann. Der (selten) gute Fachhandel ist dabei hilfreich. Nehmen Sie zum System-Kauf einfach ihre bevorzugten Schallplatten mit. Ein Anruf vorab kann etwa klären, ob das Fachgeschäft auch auf die Vorführung alter Mono-Platten eingerichtet ist.
Das Vertrauen auf Testergebnisse in den einschlägigen Fachmedien kann in den Beschreibungen eine Orientierung geben, Garantien für deutlich gesteigerten Musikgenuss sind damit nicht verbunden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Fachredakteure in ihren eigenen Plattenspielern selten die neuesten "Testüberflieger" spazieren fahren, sondern eher auf Klassiker wie etwa das unverwüstliche Denon DL 103 setzen. Was selbstverständlich auch am Gehaltsgefüge der Testredakteure liegen dürfte. Besonders teure "Dauerleihgaben" werden deshalb nicht als Bestechungsversuch, sondern gerne als "Arbeitsgeräte der Redaktion" apostrophiert.
Wer sich ohne Scheuklappen mit dem Thema auseinandersetzt, und etwa ein fertigungstechnisches Spitzen-MC wie das (alte) Van den Hul DDT (1000 Euro) mit einem Plastik-DJ-Kracher vom Schlage Tonar Diabolic E (60 Euro, Stand 2017) vergleicht, der wird feststellen, dass beide Systeme - je nach Musikrichtung und Schallplattenpressung - ihren speziellen Reiz und Vorteil zu Gehör bringen können. Ein eindeutiges, generelles "Schlechter" oder "Besser" gibt es nicht. Eine betagte Soul-Scheibe bekommt etwa mit dem Tonar tatsächlich so etwas wie Seele, während das feiner auflösende DDT die Aufmerksamkeit eher auf Störgeräusche lenkt und dann nur nervt. Von daher wird auch klar, wie unsinnig die Vergabe von "Klangpunkten" in einschlägigen Fachzeitschriften letztendlich ist. Diese Rankings sind nichts weiter als ein doppeltes Marketinginstrument. Zum einen gegenüber dem Leser als "leitende und anleitende Testinstanz", zum anderen gegenüber den Herstellern als "Testsiegermacher" mit Einfluss auf deren Umsätze. Die Art und Weise, wie mitunter den "Testkandidaten" der alles entscheidende "Klangpunkt" und damit "die neue Referenz" zugeschustert wird, ist für den halbwegs kundigen Leser bestenfalls vergnüglich.
Extrem teure Systeme sind nicht zwingend "besser". Getreu dem Motto: was viel kostet, das muss auch besonders gut sein. Ein Ferrari ist in etlichen relevanten Praxispunkten das zweifellos "schlechtere" Auto als etwa ein gut motorisierter VW Golf. Dafür hat der rote Flitzer - neben dem Showfaktor - in 200 km/h-Kurven gewisse Vorteile.
Technologisch wurde in den goldenen Analogtagen dem Kunden ohnehin selbst im Bezahlbereich viel mehr geboten. Denkt man etwa an die vor 40 Jahren aktuellen MC-Systeme vom japanischen Hersteller JVC, deren besonderes Merkmal microgeätzte Minispulen waren, die idealerweise weit vorne am Nadelträger saßen, dann erscheinen aktuelle "Supersysteme" mit ihren gewickelten Spulen dagegen wie Oldtimer-Relikte.
Edelsysteme sind auf spezielle Einzelkriterien - wie etwa extreme Hochtonauflösung oder dynamische Attacke - hin optimiert. Mit diesem Lupeneffekt können sie dann bei bestimmten Platten, etwa mit sehr gut aufgenommener Gitarren- oder Kammermusik, brillieren. Dazu werden solche Systeme in kleiner Stückzahl in zeitaufwändiger Handarbeit gebaut. Das kostet - und wird mit heftigen Vertriebsmargen zusätzlich in hochpreisige Sphären gepuscht. Wobei die Kundschaft an dieser Preispolitik auch selbst Schuld trägt. Denn erst ein spektakuläres Preisschild führt bei manchen "Experten" zu Aufmerksamkeit. Motto: "Das Beste hat seinen Preis".
Preiswerte Massensysteme bieten den Vorteil der Produktkonstanz (und damit homogener Serienpräzision), aber auch den Nachteil der Fertigungstoleranz. Letztere kann man als Kunde selbst einengen. Deshalb hier und jetzt der wichtigste Tipp, den ich Ihnen in diesem Zusammenhang geben kann: Kaufen Sie das System im Fachhandel und nehmen Sie eine gute 10fach-Uhrmacherlupe mit. Kontrollieren Sie damit die Position des Abtastdiamanten auf dem Nadelträger. Nicht nur bei Budget-Systemen sitzt der Diamant oftmals nicht lotrichtig (von vorn betrachtet) auf dem Nadelträger. Wenn Sie das feststellen, lassen Sie sich ein weiteres System des gleichen Typs zeigen.
Auch beim Kontrollblick von der Seite ist oft zu sehen, dass der Trackingwinkel nicht stimmt, der Diamant etwa zu steil steht. Im Idealfall soll der Diamant ja gemäß der Arbeitsachse des ursprünglichen Schneidstichels die Rille ausfahren. Dieser Winkel wurde bei vor 1963 hergestellten Platten beliebig gemäß Herstellererfahrung gewählt, lag dann bei 15 Grad und beträgt seit 1978 runde 20 Grad. Die Achse des Diamanten muss also ganz schön "schief" stehen (über den Aufstandspunkt nach vorne gekippt). Es drängt sich der Verdacht auf, mancher Hersteller will auf diesem Weg das billige System gegenüber den teuren Modellen bewußt "entschärfen", weil andernfalls der klangliche Unterschied zu gering ausfallen würde.
Drastische Preisunterschiede der angebotenen Systeme werden oft mit der Güte des verwendeten Abtastdiamanten argumentiert. Die billigste Form ist der sphärische (kreisrund) geschliffene Diamant, der zur Materialersparnis zudem auf einen Metallträger geklebt/gelötet wurde (bonded diamond). Die nächste Stufe markieren die "nackten Diamanten". Bei diesen Typen ist der Abtastdiamant aus einem Stück gefertigt. In der nächsten Qualifizierungsstufe werden Art und Aufwand der Schliffe (Polituren) unterschieden. Der sphärische Rundschliff ist wieder die einfachste Form (- aber auch der später in der Handhabung am wenigsten mit Problemen behaftete).
Es folgen der elliptische (ovale) Schliff und danach eine Reihe von speziellen Schliffen, die allesamt dem Ideal der möglichst schlanken, aber großflächigen Rillenabtastung folgen. Bekannte Namen dieser Spezialschliffe sind etwa van den Hul, Gyger, Shibata oder Fine Line. In High End-Ausführung werden diese Diamanten zudem in extrem kleine (kurze) Bauform gebracht um Gewicht zu sparen und Drehbewegungen des elastisch aufgehängten Nadelträgers zu minimieren. Nackte Diamanten mit aufwändiger Politur sind am langlebigsten. Bei gepflegten Platten und korrekter Einstellung sind Betriebszeiten von 2000 und mehr Stunden möglich. Wer täglich eine Stunde hört, kann also rund sechs Jahre lang seine Schallplatten genießen.
Bei der Herstellung des Tonabnehmersystems stellt die Produktion des Abtastdiamanten und die passgenaue Fixierung des Diamanten im/am Nadelträger feinwerktechnisch die höchsten Anforderungen im gesamten Fertigungsprozess. Weltweit gibt es nur noch wenige Spezialisten, die derartige Arbeiten auf höchstem Niveau umsetzen können. Größen im Diamantgeschäft sind etwa die japanischen Firmen Ogura und Namiki. Wird der feine Abtastdiamant etwa nur stumpf mit einem Tröpfchen Kleber auf den Boron-Nadelträger gesetzt, zeugt das nicht unbedingt von High Tech. Eine präzise Positionierung ist mit dieser "Bastelmethode" kaum möglich. Da erscheint die Mikrometerschraube zur Feineinstellung der Tonarmhöhe dann wie die Schieblehre zum Teigrühren.
Viele High End-Marken fungieren als reine Montagebetriebe zugelieferter Schlüsselkomponenten. Die kreative Eigenleistung beschränkt sich auf das Design des Gehäuses, die Materialzusammenstellung und den Vorspannwert des Nadelträgers gegen den Gummidämpfer.
Nachfolgend finden Sie eine kleine Übersicht der am Markt gängigen Systemtypen. Die Informationen mögen Ihnen bei der Wahl helfen.
Aus technischer Sicht unterscheidet man aktuell drei gängige Bauarten von Tonabnehmer-Systemen, die allesamt dynamische Systeme sind. Das heißt, sie liefern nur unter schneller Bewegung ein Signal - vergleichbar mit dem Dynamo am Fahrrad, der auch erst ab einer bestimmten Umdrehungszahl brauchbare Spannung produziert.
MM-System: Ursprünglich von der norddeutschen Firma ELAC entwickelt, durch den amerikanischen Hersteller Shure populär gemacht. MM steht für "Moving Magnet". Die Vinylrille bewegt über Abtast-Diamant und Nadelträger feine Magnete. Die wirken auf fest stehende Spulen und erzeugen damit das Tonsignal. MM-Systeme gelten als die einfach gestrickten Universaltalente. Aber was einfach ist, muss nicht schlecht sein. Im Gegenteil. Man kann sie an die gängigen Verstärker mit 47 Kiloohm-Phono-Eingang anschließen. Das freut besonders die Eigner von klassischen Röhren-Vorstufen. Zudem ist die Massenverteilung um den Nadelträger-Drehpunkt bei klassischen MMs (System Elac/Shure) von Vorteil. Nicht zu vergessen der Aufbau ohne Spanndraht. Somit entfällt bereits eine mögliche Fehlerquelle.
Als konzeptioneller Nachteil kann der vergleichsweise leistungsstarke Generator gesehen werden. Die wirksamen Magnetkräfte setzen der Vinylrille stärker zu, als ein "leicht laufendes" MC-System mit winziger Generatorspannung.
Ein preisgünstiges und bewährtes System ist etwa das Audio Technica AT 95 E. Im Handel ist es für um die 30 Euro zu bekommen. Sie können für ein AT 95 aber auch 1500 Euro ausgeben - wenn es durch einen "High End-Hersteller" mit "scharfem" Abtastdiamant versehen und in ein Edelholzgehäuse eingebaut wurde. Sie sehen also, nicht nur für Vinyl-Einsteiger ist dieses Audio Technica-Produkt ein Tipp.
MM-Systeme haben den Vorteil, den Nadelträger durch einfaches Umstecken austauschen zu können. Im Reparaturfall muss also nicht immer ein komplett neues System gekauft werden. Bei manchen, nach dem Baukasten-Prinzip aufgebauten Fabrikaten, (Goldring, Grado) lassen sich deshalb auch Nadelträger mit feiner geschliffenen Abtastdiamanten nachrüsten.
Ein bewährter Tuningtipp für MM-Systeme betrifft besagten Nadelträger-Einschub. Wird er mit etwas Uhu hart (oder Sekundenkleber) fest im System fixiert, verbessern sich oft Durchzeichnung und Dynamik des MM-Systems. Alternativ - und zur leichteren Demontage - bietet sich ein Tröpfchen Schellack an.
MM-Systeme reagieren wegen ihrer hochohmigen Spulen deutlich auf die Kapazität des Anschlusskabels. Je nach Anschlusswert lässt sich das System in der Höhen- oder Mittenwiedergabe somit beeinflussen. Hochwertige Verstärker haben deshalb einen MM-Phonoeingang mit einstellbarem Kapazitätswert. Die justierbaren Werte liegen zumeist im Bereich von 100 bis 300 pF (Picofarad). In den technischen Daten des Systems findet sich in der Regel ein vom Hersteller empfohlener Anschlusswert. Zu beachten ist dabei, dass für das Anschlusskabel bereits ein Kapazitätswert in der Größenordnung von 100 bis 150 pF mit einzukalkulieren ist.
Auch aus diesem Grund sollte ein MM-Anschlusskabel möglichst kurz gehalten sein, dann bleibt verstärkerseitig noch Spielraum für Kapazitätsexperimente. Nicht immer muss der niedrigste Wert das persönlich am besten empfundene Klangergebnis bringen. Aus gutem Grund haben manche historische Plattenspieler recht lange Anschlussleitungen. Sie waren auf das serienmäßig eingesetzte System abgestimmt.
Zudem: Echter Super-Hochton jenseits der 15000 Hz ist - besonders auf älteren Tonträgern - nur selten abgespeichert. Eine eher mittenbetonte Abstimmung mit höherer Anschlusskapazität kann insgesamt zum transparenteren Klangeindruck führen.
Wer die seidigen Höhen bei seinem MM-System vermisst, kann auch mit dem Eingangswiderstand am Phonoverstärker experimentieren. Mit einem größeren Wert lässt sich die Höhenwiedergabe anheben. Eine Möglichkeit ist ferner, die Anschlussleitung mit Zusatzwiderständen hochohmiger zu machen. Empfohlen werden Werte um 500 Ohm. Hierzu muss der Lötkolben geschwungen werden.
Der Eingangswiderstand des Verstärkers kann in 10000er Schritten erhöht werden. Also von den zumeist serienmäßig montierten 47 Kiloohm-Widerständen hoch bis auf maximal 100 Kiloohm. Dann sollten sich in der Höhenwiedergabe deutlich wahrnehmbare Unterschiede ergeben. Richtig ist wie immer das Ergebnis, das persönlich am besten gefällt.
Die bisweilen durchwachsenen Beurteilungen von MM-Systemen in Internet-Foren beruhen nicht selten auf suboptimalen Anschlussbedingungen. Wer ein neues MM-System einfach in das vorhandene Setup einschleift, erlebt selten einen klanglichen Volltreffer. Ein wenig Probieren, Umstecken und Tüfteln muss schon sein.
Wie heißt es so schön: Wenn es auf Anhieb funktioniert, ist es nicht High End.
KLEINER NACHTRAG: In jüngster Zeit sorgt das 14000 Euro teure, japanische Top Wing Suzaku-System in der High End-Szene für Furore. Die Funktionsweise wird vom Hersteller verklärend nebulös umschrieben. Tatsächlich handelt es sich um ein MM-System mit sehr geringer Ausgangsspannung. Was wieder einmal deutlich macht, dass festgefahrene Glaubengrundsätze nicht weiterhelfen, sondern - wie so oft - die klugen Lösungen im Detail.
MC-System: MC steht für "Moving Coil". Übersetzt heißt das "bewegte Spule". Damit ist der Unterschied zu den MM-Typen bereits gesagt. Technische Vorteile dieser Bauart gegenüber MM sind in der - zumindest theoretisch - geringeren bewegten Masse des Nadelträger-Generatorsystems und den niederohmigen Generatorspulen samt geringeren Induktivitäten zu sehen. Höhenabsenkung durch einen induktiven Sperrkreis spielen keine Rolle. Schon eher Höhenresonanzen, die zu einem Peak im Superhochton führen - und manches vermeintliche Spitzensystem so zum nervtötenden "Zirper" machen.
Die bewegte Spule hat aber auch einen erheblichen Nachteil: Die (weniger als) haarfeinen Spulendrähtchen (0,02 - 0,04 mm) sind ständiger mechanischer Beanspruchung ausgesetzt. Bricht so ein Drähtchen, ist eine Reparatur meistens nicht möglich. Der gesamte Generator samt Nadel muss dann erneuert werden, was aus Kostensicht dem Neukauf gleich kommt.
Bei MC-Systemen steht das Magnetfeld fest und der Nadelträger bewegt die winzige Spulen in diesem Feld. Die erzielten Spannungen der winzigen Spulen sind recht gering und müssen höher als bei den MM-Typen verstärkt werden. Verstärker brauchen deshalb einen speziellen Phono-Eingang für MC-Systeme. Der ist üblicherweise deutlich niederohmiger ausgelegt als der MM-Eingang. Die Hersteller der MC-Systeme geben Empfehlungen, wie hoch der elektrische Widerstand des Verstärkereingangs sein soll. Der richtig gewählte Widerstandswert entscheidet über die elektromagnetische Belastung (Vorspannung) des winzigen Generators und damit auch über die Klangcharakteritik. Ein niedriger Abschlusswiderstand belastet den Generator stärker, ein hoher Widerstand weniger. Tendenziell wirkt sich das auf die Wiedergabe wie folgt aus: Kleiner Widerstand = bassig wuchtiges bis flauschiges Klangbild. Hoher Widerstandswert = sehniges bis luftiges Klangbild.
Als Faustregel gilt: Eingangswiderstand am Verstärker mindestens 2,5 mal Systemwiderstand. Besagtes Denon DL 103 mit seinen 37 Ohm Spulenwiderstand braucht also mindestens einen Abschluss mit rund 100 Ohm. In der Regel landet man meistens bei Abschlusswerten mit Grobfaktor 10. Im Fall des Standard-DL 103 liegt der als ideal empfundene Wert meistens zwischen 300 und 500 Ohm. Hier gilt es je nach Anlagenkonfigaration den für den persönlichen Hörgeschmack richtigen Abschlusswert herauszudestillieren. Zu hohe Abschlusswerte begünstigen störendes Rauschen. Bei hochwertigen Phonostufen tritt dieses Problem jedoch in den Hintergrund, weshalb manche Praktiker auch MC-Systeme generell mit 47 Kiloohm Abschluss in den Rillenrundkurs schicken.
TIPP: MC-Systeme mit geringem Spulenwiderstand (um 5 Ohm) und geringer Ausgangsspannung (um 0,15 mV) am besten mit einem hochwertigen Transistor-Vorverstärker und hohem Abschlußwiderstand (um 1000 Ohm plus x) kombinieren.
Röhrenverstärker haben meistens nur einen Phonoeingang für MM-Systeme. Soll ein MC-System mit niedriger Ausgangsspannung angeschlossen werden, muss dessen Signal mit einem Vor-Vorverstärker angehoben, oder aber mittels Übertrager-Transformator hochgespannt werden. Weil für den Röhrenfan ein zumeist transistorisierter Vor-Vorverstärker (Pre-Pre) nicht infrage kommt, greift er selbstverständlich zum Übertrager (auch Step up-Trafo genannt). Besonders gilt das, wenn System-Klassiker wie das Ortofon SPU bevorzugt werden. Mit ihrem geringen Spulenwiderstand und der trotzdem recht hohen Ausgangsspannung sind sie für die Kombination mit einem Übertrager geeignet.
Die Wahl des richtigen Trafos ist für manchen Vinylisten so wichtig wie die Wahl des Tonabnehmersystems. Beide müssen zusammenpassen. Entscheidend ist wieder der Widerstand der Tonabnehmerspulen. Der Eingangswiderstand des Übertragers sollte zumindest dem Spulenwiderstand des Systems entsprechen. Man kann also nicht wahllos jedes System mit jedem Überrager zusammenschalten. Das recht hochohmige Denon DL 103 mit seinen rund 40 Ohm Spulenwiderstand erfordert also einen entsprechend hohen Eingangswiderstand am Übertrager-Trafo.
Als Faustformel für die Wahl des passenden Übertragers gilt: Eingangswiderstand Phonostufe (47 Kiloohm) geteilt durch Übersetzungsverhältnis hoch zwei. Bei einem Übersetzungsverhältnis von 10 wären das 47000 Ohm geteilt durch 100 macht 470 Ohm. Das entspricht wieder dem Eingangswert, wie er für das Denon DL 103 an einer speziellen MC-Phonostufe gilt. Entsprechend dazu: Übersetzung 15 ergibt rund 200 Ohm, Übersetzung 20 ergibt rund 100 Ohm, Übersetzung 30 macht rund 50 Ohm. Alle Werte auf einen üblichen MM-Phonoeingang mit 47000 Ohm bezogen. Hat man etwa nur einen 15fach-Übertragung zur Verfügung, will aber ein DL 103 anschließen, bleibt als Alternative, den Eingangswiderstand der Phonostufe auf 100 Kiloohm umzulöten. Dann würde man mit dem 15fach-Trafo wieder bei rund 450 Ohm landen.
Standard-MCs, wie besagtes Denon DL 103 mit recht hochohmigen Generatorspulen ( circa 40 Ohm) kommen in der Regel mit einem einfachen, hochohmigen Übertrager zurecht, der das Signal um den Faktor 6 bis 10 hochsetzt. Das Denon spielt dann zumeist sehr energisch und überzeugend.
Hochgereizte High End-Systeme haben Generatorspulen mit geringem Widerstand (oft nur 2 bis 4 Ohm - und entsprechend wenig Ausgangsspannung). Hier wird bei ausreichender Ausgangsspannung des MCs (circa 0,4 mV plus X) zumeist ein 15fach-, 20fach- oder gar 30fach-Übertrager gefragt sein. Der fordert für einen wünschenswert makellosen Frequenzgang vom Hersteller besonderes Wickel-Know how sowie Fertigungssorgfalt. Entsprechend kostspielig werden solche Spitzentrafos.
Es gibt auch MC-Systeme, die an MM-Eingängen mit 47 Kiloohm-Abschluss tadellos funktionieren. Sie spielen leiser als MM-Systeme, was durch entsprechende Volumenzugabe auszugleichen ist. Im Jargon werden solche Systeme als " High Output-MC" bezeichnet. Solche MC-Systeme haben mehr "Draht" auf das Spulenkreuz gewickelt und starke Magnete. Damit steigt die Leistung des Generators, aber zugleich nehmen die bewegten Massen am Nadelträger zu. Für einen leichten und leistungsfähigen MC-Generator ist ausgeklügelte Technik beim Wickeln der Minispulen erforderlich. Ein wirklich "gutes" High Output-MC muss also in der Herstellung teurer sein, als ein Low Output-System. Budget-Lösungen sind deshalb eher mit Nachteilen behaftet.
MC-Systeme sind das Dorado der High End-Fraktion. Bauartbedingt können massearme Nadelträger-Spulenkombinationen verwirklicht werden. Damit bringen sie beste Voraussetzungen für dynamische Attacke, eine hohe Nadelträgerresonanz und somit feines, verzerrungsarmes Auslesen der auf der Platte gespeicherten Hochton-Informationen mit. Niederohmige MC-Systeme sind gleichzusetzen mit wenig bewickelten Spulen. Das wiederum bedeutet geringe bewegte Masse. Deshalb bemühen sich die Hersteller teurer High End-Systeme stets mit möglichst wenig Spulenwicklungen ausreichend Spannung zu generieren. Hierzu sind starke Magnetfelder erforderlich.
Kombiniert werden die Nadelträger mit feinsten Abtastdiamanten, die sollen die Rillenmodulation bestmöglich abtasten. Zugleich werden diese ins elektromechanische Extrem getriebenen Konstruktionen auch immer anfälliger für elektrische Fehlanpassungen und geometrische Fehlstellungen. Alle "scharf" geschliffenen Abtastdiamanten reagieren deutlich auf die Höheneinstellung des Tonarms. Manche Experten spielen dabei im Bereich von hunderstel Millimetern mit der Höhenjustage des Tonarms. Wer es so genau nimmt, der sollte bedenken, dass er dann je nach Plattendicke den Tonarm jedesmal neu einstellen muss. Also bitte nicht verrückt machen lassen.
High End-MCs sind empfindliche Naturen. Seitliches Anfassen des (offenen) Systems kann bereits zu Beschädigungen an den Generatordrähtchen führen. Auch das simple Messen des Drahtwiderstands mit einem ungeeigneten Ohmmeter kann die Winzdrähtchen durchschmoren lassen. MM-Systeme sind um Welten robuster.
Insgesamt sind hochgereizte MC-Systeme also eine Spielwiese für ausgesprochene Kenner der Materie. Derart für High End-Ansprüche ausgetüftelte Systeme werden mitunter nur noch durch Selektion innerhalb einer Fertigungscharge in die nächst höhere Liga befördert. In ein Gehäuse mit neuer Kennzeichnung/Farbe montiert, machen dann die Verkaufspreise gleich einen gewaltigen Sprung nach oben. Inwieweit diese Selektion beim Kunden noch nachvollziehbar bleibt, darf durchaus kritisch betrachtet werden. Aber auch wer 5000 und mehr Euro für ein System auszugeben bereit ist, kann letztlich nicht mehr aus der Rille extrahieren als darauf gespeichert ist. Mehr als Masterband geht nicht - (und von dem geht bereits einiges bei der Übertragung auf die Matrize flöten). Deshalb gehen die Meinungen über Sinn und Zweck derartiger "Edelsysteme" nicht ganz zu Unrecht auseinander. Wen der HiFi-Wahnsinn aber einmal richtig am Kragen hat, der muss alle Wege gehen. Irgendwann kommt hoffentlich die beschwingte Erkenntnis, dass es geschickter ist, sich wieder mehr auf die Musik als auf die Technik zu besinnen.
Weil die Generatorspulen Teil des Nadelträgers sind, kann beim MC-System im Allgemeinen die "Nadel" nicht einfach durch umstecken erneuert oder getauscht werden. Ist der Abtastdiamant verschlissen, muss entweder ein neues System gekauft, oder aber das alte beim Hersteller oder Spezialisten aufgearbeitet werden. Bei teuren Systemen ist es ratsam, vor dem Kauf die Serviceleistungen und die zu erwartenden Reparaturkosten abzuklären.
Hochwertige Systeme erreichen eine Standzeit von etwa 2000 Betriebsstunden. Gemessen am Verkaufspreis kann sich jeder Interessent ausrechnen, was das Abspielen einer LP kostet. Bei einem 1000 Euro-System wären das rund 40 Cent pro LP. Andererseits kann ein teures System durch die längere Nutzungsdauer "billiger" werden, als ein Budget-Modell mit weniger langlebigem Abtastdiamanten.
MI-System: MI steht für "Moving Iron". Übersetzt also "Bewegtes Eisen". Bei dieser Bauart hat man es mit recht großen, feststehenden Spulen samt festen Magneten zu tun. Der Nadelträger induziert über ein bewegtes, magnetisch wirksames Material (Weicheisen/Nickel) in den Spulen die gewünschte Signalspannung. Ein Generatorsystem, wie man es etwa auch von elektrisch verstärkten Gitarren kennt. Die Spannungswerte und Spulenwiderstände sind in der Regel so groß, dass MI-Systeme an den MM-Eingang anzuschließen sind. Das macht sie besonders für Besitzer von Röhren-Vorstufen interessant. MI-Systeme reagieren auf Kabelkapazitäten meist etwas gutmütiger als MM-Systeme. Mitunter können aber elektromagnetische Einstreuungen, etwa vom Trafo oder Antriebsmotor, Brummprobleme bereiten. MI-Systeme sind deshalb für Reibrad-Klassiker wie Garrard 301 oder Thorens TD 124 und deren große, recht nahe an der Tellerachse gelegene Motoren, weniger geeignet. Bei modernen Spielern mit externer Motordose würde ich stets ein MI-System in die engere Wahl ziehen.
Bekannter Hersteller dieser Bauart ist die amerikanische Firma Grado, aber auch klassische Ortofon-Systeme der Reihe F15 oder M20 sowie das legendäre, aber in der Fertigung extrem montageempfindliche Decca London (im Grunde ein umständlich um einen zweiten Kanal ergänztes Mono-System) gehören in dieser Kategorie. MI-Systeme sind berühmt für ihre eindringliche Wiedergabe von Stimmen. Konstruktiv sind MI-Systeme die Ideallösung. Es lassen sich leichte Nadelträger-Generatorbauteile realisieren und die fest stehenden Spulen sind weitestgehend vor Vibrationsschäden gefeit. Werden Spulen mit wenig Wicklungen verwendet, sind sie in Hinblick auf die Induktivität ebenso vorteilhaft wie vergleichbare MC-Systeme. Sie müssen dann aber auch an einem empfindlichen MC-Eingang betrieben werden. Grado bietet etwa derartige "low output" MI-Systeme an.
Bemerkenswert sind in der MI-Kategorie die Systeme des amerikanischen Anbieters "Soundsmith". Sie basieren auf alten Bang & Olufsen-Konstruktionen.
KERAMIK-SYSTEM: In der alten Grundig-Musiktruhe oder im Kofferplattenspieler von Tante Gerda findet sich in der Regel ein Keramik-System, oft auch als Kristall-System bezeichnet. In den 50er und 60er Jahren war es DER Systembautyp schlechthin. Entgegen der landläufigen Meinung, die besagt, Keramiksysteme seien HiFi-untaugliche Plattenmörder, gab es speziell in den USA recht hoch entwickelte Keramik-Systeme, etwa von Fairchild, Sonotone oder Weathers, die zum Teil mit Auflagedrücken von nur 1,5 Gramm betrieben werden konnten und zudem einen schnurgeraden Frequenzgang lieferten. Solche Systeme kosteten damals etwa so viel wie ein sehr guter Tonarm. Heute werden sie wieder von Liebhabern gesucht und in brauchbarem Zustand für gutes Geld gehandelt.
Das Funktionsprinzip der Keramik-Tonabnehmer unterscheidet sich grundlegend von den vorgenannten dynamischen Typen, bei denen ein bewegtes Magnetfeld die Elektronen anschiebt. Das piezoelektrische Keramikelement bringt seine Elektronen durch Druck und Biegung in Bewegung. Das Tonsignal des Kristallabnehmers wird deshalb alleine durch die Amplitude der schwingenden Abtastnadel erzeugt und ist nicht wie bei den dynamischen Abnehmern auf eine bestimmte Schnelle angewiesen, um ausreichend Spannung zu generieren. Deshalb kommt das keramische System ohne Entzerrervorverstärkung aus. Angenehmer Nebeneffekt: Keramik-Systeme spielen ältere Schallplatten (50er Jahre) mit deren oft unterschiedlichen Schneidenormen, stets gehörrichtig ab. Zudem ist das Signal groß genug, um direkt in einen Line-Eingang des Verstärkers eingespeist zu werden. Allerdings muss der recht hochohmig (mind. 500000 Ohm) sein, ansonsten leidet die Basswiedergabe.
Keramik-Systeme vereinfachen also den technischen Aufwand der Schallplattenwiedergabe, weshalb diese Baumuster später bevorzugt bei Billiggeräten zum Einsatz kamen. Ihre Hochphase erlebten sie mit Aufkommen der automatischen Plattenwechsler, die für Funktionssicherheit mit hohen Auflagedrücken betrieben werden mussten. Von daher rührt zugleich der schlechte, weil plattenschädigende Ruf der Keramik-Systeme.
Zudem sind einfache Keramik-Systeme meistens nicht mit einem langlebigen Abtastdiamanten ausgestattet, sondern mit einem Abtast-Saphir. Der hat im Vergleich mit einem Diamantabtaster etwa die zehnfach geringere Lebensdauer. Nach rund 100 Spielstunden ist der Saphir verschlissen. Wird er nicht rechtzeitig getauscht, kommt es zwangsläufig zu Beschädigungen der Plattenrille.
Im Umkehrschluss heißt das, ein hochwertiges Keramiksystem mit Abtastdiamant kann sehrwohl zu äußerst ansprechenden Klangresultaten führen. Besonders trifft dies zu, wenn alte Mono-Singles auf den Spieler kommen. Dann entfaltet sich mit einer entsprechend präparierten Anlage erst der authentische Peter Alexander-Technicolor-Kinoklang.
In den siebziger Jahren gab es von Philips speziell entwickelte Kristall-Systeme (GP380), die an den MM-Eingang des Verstärkers anzuschließen waren. Sie zeichneten sich durch hohe Nadelnachgiebigkeit und geringe Auflagekräfte (2 Gramm) sowie ein ausgeglichenes, klares Klangbild aus.
Neue Abtastnadeln für die klassischen Keramik-Systeme sind noch immer - oft aus alten Lagerbeständen - erhältlich, mitunter sogar komplette Systeme. Die Gummiaufhängung des Nadelträgers sollte dann auf Funktionstüchtigkeit hin überprüft werden. Speziell die roten Gummisorten sind oft lehmartig verhärtet. Und damit sind wir schon beim nächsten Punkt:
VINTAGE-SYSTEME: Kann man alte Tonabnehmersysteme, die oft schon dreißig Jahre und mehr auf dem Buckel haben, überhaupt noch benutzen? Eine berechtigte Frage, die am besten mit einem "Im Prinzip - ja" zu beantworten ist. Wenn man sich vor Augen führt, was an einem Tonabnehmersystem einfach durch die Faktoren Zeit und äußere Einflüsse kaputt gehen kann, kommt man der punktgenauen Antwort schon sehr nahe. Als da wären:
- Abtastdiamant verschlissen oder beschädigt. Es kommt auch (selten) vor, dass sich der Diamant in seiner Verklebung gelockert hat. Dann verzerrt die Musik grandios. Im günstigsten Fall ist der Diamant nur stark verschmutzt. Siehe Tipps, Zahnstocherkur.
- Verhärtete, klebrig-schmierig oder bröselig gewordene Nadelträger-Aufhängungsgummis sind ein typischer Schaden an alten Systemen. Solche Systeme klatschen dann regelrecht auf den Bauch, sie sind unbrauchbar. Ein Fall für den Spezialisten, oder für den Kauf einer passenden, neuen Ersatznadel. Kürzlich hatte ich auch ein Denon DL 103 in der Hand, beim dem sich der Spannfaden des Nadelträgers gelockert hatte.
- Auch mit nachlassenden Magneten in den Systemen muss gerechnet werden. Mit schwindender Magnetfeldstärke lässt der Output des Systems nach.
- Korrosionsschäden kommen auch vor. Nicht nur an den feinen Lötstellen und Spulendrähtchen, sondern auch an den Nadelträgern aus Leichtmetall. Eventuell verwendete Nadelreinigungsflüssigkeiten können hierbei eine unliebsame Rolle spielen. Auch in solchen Fällen ist eine Generalüberholung unter Verwendung neuer Teile angezeigt.
Der Kauf alter Systeme übers Internet ist also stark risikobehaftet. Wer Glück hat, kann für günstiges Geld an ein feines System kommen. Bei einstmals hochpreisigen Edelsystemen sollte jedoch immer ein Service durch einen Spezialisten einkalkuliert werden. Der Tausch eines MC-Nadelträgers samt Diamanten kosten meist um die 350 Euro. Dann hat man wieder ein funktionierendes System, aber es ist nur dann ein "originales" System, wenn die Arbeit beim ursprünglichen Hersteller durchgeführt wurde. Dort verfährt man aber meistens nach dem Tauschprinzip. Das heißt, das alte System wird für einen symbolischen Preis für das neue Modell in Zahlung genommen. Also schlau machen, bevor einen das Schnäppchenfieber übertölpelt.
Welches kaufen? Mit der Verkostung von Vinyl verhält es sich wie mit Wein: Die Kennerschaft wächst mit dem Genuß. Audiophile Schallplatten-Edelpressungen werden für manchen Klanggourmet erst unter der akustischen Lupe eines feinauflösenden High End-Systems zum vollendeten Erlebnis. In alte Flohmarktscheiben wird man dagegen erst einmal den preisgünstigen Diamanten eines Standardsystems zur Auslotung der klanglichen Vintage-Qualitäten in die Rillen senken. Alte Soul-, Disco- oder Beat-Scheiben bekommen ohnehin erst durch den milden Sound eines simplen Rundnadelsystems die zeittypische Klangfärbung.
Ein Kapitel für sich sind alte Mono-Schallplatten. Anders als moderne Stereo-Platten mit Mikrorillen und 45/45 Grad-Schrift sind klassische Monos mit reiner Seitenschrift und dazu noch mit etwas breiteren Rillen geschnitten. Zum perfekten Auslesen braucht es also für solche Oldie-Scheiben (aus Schellack oder Vinyl) ein spezielles Monosystem, das mit einem "dickeren" Diamanten (25um Verrundungsradius) bestückt sein muss.
Echte Monosysteme wandeln nur die seitliche Nadelbewegung in Spannung um, generieren also kein Signal aus Vertikalbewegungen, die oft durch Schmutz oder leichte Kratzer verursacht werden. Echte Monosysteme holen deshalb mehr aus der Monorille und produzieren weniger Nebengeräusche. Wer kein Monosystem hat, ist alternativ mit einem einfachen Stereosystem samt Rundnadel gut bedient. High End-Systeme mit ihren Spezialschliffen sind für die ganz alten Monorillen (für 25er Verrundungsradius) zu klein, was zu Verzerrungen führt, die Wiedergabe also sogar verschlechtert.
Häufig zu findende Vinyl-Monoplatten, die ab den fünfziger Jahren Jahren mit so genannten "Microgroove-Rillen" produziert wurden, können auf jeden Fall mit einem einfachen Stereo-Rundnadelsystem (Verrundungsradius 15 bis 17 um) gut gehört werden.
Ideal für alle historischen Vinyl-Monos ist jedoch ein echtes Mono-Abtastsystem, das nur die Seitenschrift ausliest. Ein vorhandenes Stereosystem auf Mono zu beschalten ist eine Hilfslösung. Denn das Stereosystem wandelt auch die vertikalen Nadelbewegungen in Spannung um, produziert also auf diese Weise einen Störgeräuschteppich. Deshalb ist es immer wieder verblüffend, wie satt und sauber selbst stark mitgenommene Monosingles über einen echten Monoabtaster klingen können. Wer auf alte Monos steht, dem sei dringend zum echten Monosystem geraten.
Ganz wichtig: Klassische Monoabtaster haben vertikal so gut wie keine Nadelnachgiebigkeit. Stereoplatten dürfen deshalb nicht mit so einem System malträtiert werden. Denn die Stereorille bewegt den Nadelträger über Kreuz sowohl seitlich als auch vertikal. Auf alle Vertikalbewegungen reagiert dann das klassische Monosystem wie ein Meisel. Deshalb gibt es auch echte Monosysteme mit vertikaler Nadelnachgiebigkeit. Mit solchen Systemen können auch Stereoplatten ohne Gefahr von Rillenbeschädigung gehört werden.
Ein Sonderfall sind uralte Schellacks für Grammophone mit so genannter Normalrille. Diese benötigen einen richtig "dicken" Abtaster mit 60 bis 70 um Verrundungsradius und werden mit 78/min Tellerdrehzahl abgehört. Solche Platten verschleißen durch ihre Materialzusammensetzung auch Abtastdiamanten recht schnell. Früher wurden die speziellen Grammophon-Abtastnadeln aus gehärtetem Stahl nach jeder gehörten Plattenseite erneuert.
Ohnehin: Für den Vinyl-Einstieg genügt ein Budget-System vollauf. Holen Sie aber aus diesem vermeintlich einfachen System mit Hilfe der auf dieser Seite zu findenden Tipps das Maximale heraus. Es ist ein Trugschluss zu glauben, der klangliche Aufstieg sei alleine durch den Wechsel auf ein teures und damit vermeintlich "größeres" Abtastsystem zu schaffen. Viel wichtiger ist es, die Arbeitsbedingungen für das jeweils verwendete System zu optimieren (Headshelltyp, Tonarmtyp, Tonarmverkabelung, Phonostufe, Vorverstärker). Alleine mit der Art und Weise der Ankoppelung des Systems an den Tonarm lässt sich mitunter viel erreichen. Experimentieren Sie für den Einstieg etwa ganz einfach mit dem Anzugsmoment der System-Befestigungsschrauben. Probieren Sie von "fast locker" bis "fingerfest" aus, wie sich das Festschrauben des Systems in der Headshell auf den Klang auswirkt. Mitunter sind die Ergebnisse, je nach verwendetem System, verblüffend bis sensationell. Oder basteln Sie sich aus Holz oder Carbon-Rohrmaterial einen ganz simplen Einpunkt-Tonarm mit 12 Zoll Arbeitslänge, den Sie separat neben dem vorhandenen Spieler positionieren. Das kostet wenig und bringt meistens viel mehr als der simple Wechsel des Abnehmersystems.
Denn bei Lichte betrachtet sind die technischen Unterschiede zwischen preiswertem Massen-Abtaster und super teurem Edelteil viel geringer, als es einem die Fachmedien und Hersteller glauben machen möchten. Weit bedeutender sind die Klangunterschiede, die in den stark unterschiedlichen Produktionsqualitäten der Schallplatten zu finden sind. Fraglos vermag ein Spitzensystem aus einer Spitzenschallplatte auch ein Hörerlebnis von außerordentlichem Vergnügen zu machen.
Voraussetzung hierfür ist jedoch auch eine Phonostufe - sowie eine komplette Anlagenkonfiguration - von entsprechender Qualität. Wenn Sie mit Ihrer Anlage keine klanglichen oder aufnahmetechnischen Unterschiede zwischen einzelnen Platten feststellen können, dann sollten Sie sich Gedanken um die technische Aufrüstung der Gerätschaften machen. Wie immer ist es am besten, mit der Quelle zu beginnen. In unserem Fall also mit dem Plattenspieler, Tonarm und dem System. Und wer ein teures MC-System für mehrere tausend Euro in die Anlage integrieren möchte, sollte in Sachen Phono-Verstärker gleichfalls nicht geizen.
Auf der anderen Seite darf man sich getrost von dem Gedanken befreien, erstklassiges HiFi sei ausschließlich über kostspielige Gerätschaften möglich. Oft ist es eher anders herum, je teurer, desto haarsträubender. Viel hilft nicht immer viel. (Höchstens dem Handel.) Vertrauen Sie also bei allen Kaufentscheidungen alleine ihrem (unbeeinflussten) Hörsinn und Ihrem Bauchgefühl. Dann liegen Sie mit Ihrer Entscheidung richtig. (Das Anpreisen super teurer HiFi-Komponenten in den einschlägigen Fachmedien hat einfache Gründe: Massen-HiFi ist praktisch tot, der Umsatz muss heute mit zahlungskräftigen Ultra-HiFi-Fans gemacht werden. Gerne auch mit Menschen, die auf der Suche nach einem auffälligen Akustik-Raumobjekt als Statussymbol sind.)
FAZIT: Für seine unterschiedlichen Schallplatten sollte man entsprechend passende Tonabnehmersysteme (Mono, Stereo, Gebrauchtvinyl, Edelpressung) am Start haben. Im Idealfall bereits einsatzbereit am Spieler installiert, womit klar wird, dass Plattenspieler mit drei Tonarmen keinesfalls von übertriebenem Luxus zeugen müssen.
Auf den Tonarm abstimmen: Wenn Sie im Fachhandel ein neues System kaufen, wird Sie der Verkäufer möglicherweise nach der "effektiven Masse" des Tonarms fragen. Vereinfacht kann man sagen: es gibt schwere, mittelschwere und leichte Konstruktionen. Genauer betrachtet geht es dabei weniger um das Gewicht, als vielmehr um das Massenträgheitsmoment des Tonarms. Man kann diesen Wert nicht wiegen, man muss ihn mit einem Feder-Masse-System mittels Vergleichsmessungen, etwa einem Gewicht an einer langen, weichen Spiralfeder, auspendeln.
Weil der Tonarm mit der federnden Nachgiebigkeit des Tonabnehmer-Nadelträgers ein schwingendes Feder-Massesystem bildet, gilt es, den Tonarm analog zu seiner Gewichtsklasse mit einem geeigneten System zu verheiraten. Denn die angepeilte Resonanzfrequenz der Tonarm-Systemkombi sollte idealer Weise in der Gegend zwischen 10 und 15 Hertz angesiedelt sein. Schaukelt sich der Arm, etwa durch eine Verwellung der Platte angeregt, im tiefen Frequenzbereich auf, leidet nicht nur die gesamte Abtastung. Durch Überlastung des Verstärkerzugs kann es auch zu Schäden an der Anlage kommen.
Eine Lösung dieses Problems bieten auch spezielle Dämpfungseinrichtungen am Tonarm. Entsprechend Stoßdämpfern am Auto, wird auch der Tonarm durch hydraulisch wirkende Bauteile in seinem freien Bewegungsdrang gebändigt. Im Idealfall sind diese Tonarm-Dämpfer einstellbar. Der Aufbau ist oft primitiv, etwa in Form eines in Silikonöl eintauchenden Rundstiftes. Über die Eintauchtiefe kann die Dämpfungswirkung beeinflusst werden. Manche Einpunkt-Tonarme hängen in einer Ölwanne (etwa Well Tempered). Solche gedämpften Arme kommen in der Regel mit unterschiedlichsten Systemtypen, ergo Nadelnachgiebigkeiten (Compliance) klar.
Als Orientierungsgröße bei der Tonabnehmer-Auswahl dient Ihnen das empfohlene Auflagegewicht. Systeme mit hoher Nadelträger-Nachgiebigkeit haben in aller Regel geringe Auflagedrücke, meist zwischen 1,0 und 1,5 Gramm. Derartig "sensible" Systeme sind für leicht gebaute Tonarme richtig. Die mittlere Kategorie mit durchschnittlicher Nadelnachgiebigkeit fährt Drücke zwischen 1,5 und 2,3 Gramm. Solche Systeme decken ein weites Spektrum ab und passen auf fast jede Plattenspieler-Kombination. Systeme mit empfohlenen Auflagedrücken von 2,5 Gramm und mehr verlangen in aller Regel nach einem schwer gebauten Tonarm.
Zu welcher Sorte der Tonarm Ihres Spielers gehört, können Sie in den Technischen Unterlagen Ihres Geräts nachlesen. Als leichte Arme sind alle Konstruktionen bis etwa 8 Gramm effektiver Masse anzusehen. Die mittlere und häufig anzutreffende Kategorie bewegt sich zwischen 10 und 15 Gramm, die schweren Arme liegen darüber. Die Herstellerangaben beziehen sich in aller Regel auf die nackten Arme ohne eingebautes System.
Typische Beispiele für leicht gebaute Tonarme finden sich an den Dual-Spielern der siebziger Jahre. Als schwere Knüppel sind die klassischen Studioarme, wie etwa der amerikanische Gray-Gussschalenarm oder diverse Fidelity Research aus Edelstahl, anzusehen.
Durch Aufpacken von zusätzlicher Masse an Headshell und Gegengewicht lässt sich ein leichter Arm auf schwer trimmen. Anders herum funktioniert das nicht. Ein schwerer Arm bleibt immer ein schwerer Arm.
Praxistipp: Schwere Tonarme mit Systemen geringer Nadelnachgiebigkeit sollten nicht für verwellte Platten (Höhenschlag) verwendet werden. Die Welle führt zu hoher dynamischer Belastung und damit zu Verschleiß an Nadel und besonders auch an der Rille. Bei verwellt verzogenen, aber noch spielbaren Platten ist ein leichter Tonarm mit entsprechendem System die bessere Wahl.