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Thorens TD 124

 

Schweizer Rillenleser. Ein ganz besonders Klassiker der analog-mechanischen Musikreproduktion. Ein Modell, das seit Jahrzehnten in den Hitlisten der Fans ganz vorne auftaucht

 


Zeittypisches Set: Thorens TD 124 und Ortofon-Tonarm. Die schwere Zarge mit direkter Ankoppelung über Hartgummischeiben wirkt sich positiv auf das Rumpelspektrum des Reibradantriebs aus. Und der Experte erkennt die getauschte Libelle. Die serienmäßige "Wasserwaage" trocknet gerne aus.

 

 

Präzisionsmechanik, der war man im Schweizer Jura schon immer höchst zugetan. Dort, im Städtchen Sainte-Croix, hat auch die Plattenspieler-Firma Thorens ihren Ursprung. Zunächst mit Antrieben für Grammophone, später, mit Aufkommen der „unzerbrechlichen“ Vinylschallplatte und den ersten Stereo-Aufnahmen, ersannen die Thorens-Techniker entsprechend hochwertiges Abspielgerät.

Zum Einstieg in die damals noch junge HiFi-Liga legten die Schweizer anno 1957 mit dem Modell TD 124 gleich eine fertigungstechnische Messlatte vor, die noch heute selbst angesichts sündteurer High End-Spieler zu beeindrucken weiß. Gebaut unter höchsten Präzisionsmaßstäben, steckten im cremefarben lackierten Leichtmetall-Chassis jede Menge Mechanikfinessen, die in unseren durchrationalisierten Tagen bereits in der Konzeptphase am gespitzten Rotstift scheitern würden.

Geplant war der TD 124 allerdings auch für professionellen Einsatz, was damals in erster Linie den in Rundfunkanstalten gestellten Anforderungen entsprach. Der Begriff „Diskothek“ sollte erst ein paar Jahre später den Wortschatz bereichern.

Speziell für die Profis, die ein Musikstück auf den Punkt genau anzuspielen hatten, bekam der Spieler einen zweiteiligen Plattenteller. Die obere Plattenauflage konnte mittels Rampenmechanismus vom rotierenden Basisteller abgehoben werden. Der Plattenaufleger war damit in der Lage, die Abtastnadel in die stehende Platte millimetergenau abzusenken. Just zum letzten Ansagewort rückte er dann die Tellerkupplung mittels Schwenkhebel ein, womit der ausgekuppelte Teller vom schweren Graugussunterteller sofort auf Solldrehzahl mitgerissen wurde. Das Musikstück ertönte quasi wie auf Knopfdruck.

 


Gerne genommene Kombination: TD 124 und der englische SME 3009-Tonarm.

 

Auch sonst wurde der Plattenspieler auf harten Dauerbetrieb ausgelegt, was letztendlich auch die hohe Überlebensquote der insgesamt rund 90000 hergestellten TD 124 bis zum heutigen Tag erklärt. Bei beständiger Pflege ist der Spieler eine Anschaffung für mehrere Leben. Viele Geräte befinden sich mittlerweile in „Enkelhand“. Relevante Verschleißteile wie Motor-, Reibrad- oder Tellerlager lassen sich allesamt bei Bedarf erneuern. Wenn ein alter TD 124 streikt, dann zumeist wegen verharzter Lageröle oder weil der versprödete Antriebsriemen gerissen ist.

Aufgrund der großen Beliebtheit gibt es einige Spezialisten, die sich dem Erhalt der TD 124 verschrieben haben. Der bekannteste und seit vielen Jahren aktive TD 124-Spezialist sitzt in der Schweiz. Dort, bei der Firma Schopper in Winterthur, bietet man auch komplett überholte, quasi neuwertige Komplettspieler an. Die Preise bewegen sich allerdings auf Schweizer Niveau, um die 5000 Schweizer Franken werden für einen piekfeinen TD 124 aufgerufen. Für die Überholung des reinen Laufwerks veranschlagt der Schweizer Spezialist rund 1000 Franken.

 


TD 124 von unten. Feinmechanik in Reinkultur. Wie heißt es immer so schön: gebaut für die Ewigkeit.

 

Ein mechanisch einwandfreies TD 124-Laufwerk ist Grundvoraussetzung für besten Schallplattengenuss. Die neuralgischen Lagerstellen im Thorens-Spieler sind die Motorlager, das Reibradlager und das Tellerlager. Liegt hier etwas im Argen, ist Spezialistenrat gefragt.

Angetrieben wird der Thorens-Plattenteller von einer Riemen-Reibradkombination. Auf den sehr kompakt gehaltenen Riementrieb wiederum wirkt eine Magnetbremse, mit der die Rotationsdrehzahl des Tellers fein eingestellt werden kann. Wie es sich für Spieler aus der Frühzeit der High Fidelity gehört, bietet auch der TD 124 insgesamt vier Geschwindigkeiten. Neben den Single- und LP-Drehzahlen 45/min und 33/min sind das noch 16/min für die damals gebräuchlichen Schulungsplatten und 78/min für die alten Schellacks. Start des Spielers und zugleich die Wahl der gewünschten Tellergeschwindigkeit erfolgt über den Drehschalter vorne links am Chassis.

 


Charakteristisches Bedienelement. Mit dem Drehknauf an der linken Ecke des Spielers wird die Geschwindigkeit gewählt und zugleich der Motor aktiviert. In der Mitte ein Drehknopf für die Feineinstellung der Tellerdrehzahl per Magnetbremse.

 

Gemäß professionellem Anspruch wurde der TD 124 als Einbaulaufwerk geliefert. Das heißt, der Kunde konnte alleine das Laufwerk ordern, um es dann selbst in eine Konsole nach Wunsch einzusetzen. Auch die Wahl des Tonarms blieb den Vorstellungen des Kunden überlassen. Dazu wurde rechts ein Holzbrett mittels dreier Schrauben auf das Leichtmetallgehäuse fixiert. In vorgeschriebenem Abstand zur Tellerachse musste dann der Tonarm in Eigenregie auf diesem Brett installiert werden. Selbstverständlich übernahm der Fachhandel diese Arbeiten und verkaufte auch komplette, spielbereite Geräte. Als in den 60er Jahren die Zahl der HiFi-Fans deutlich zunahm, lieferte Thorens direkt komplette Plattenspieler. Typisch war die Kombination aus schwarz lackiertem Holzsockel Typ ST 104 und dem Thorens-eigenen Tonarm BTD-12S.

 


Zeittypisch: TD 124 mit Ortofon-Tonarm.

 

Auch in der Art und Weise der Aufhängung des Spielers hatte der Kunde freie Hand. Serienmäßig konnte das Chassis über die höheneinstellbaren Aufhängungsmuffen entweder mit Federn oder mittels Gummipilzen an die Trägerkonsole angedockt werden. Es besteht aber ebenso die Möglichkeit, das Laufwerk fest mit der Konsole zu verschrauben und somit das Laufwerk an eine schwere Masse, etwa eine dicke Vollholzzarge, fest anzukoppeln. Die späteren Thorens-Plattenspieler folgten mit ihren an weichen Federn aufgehängten Subchassis aus Stahlblech dem Prinzip der möglichst feinfühligen Schwingentkopplung. Kritiker sprechen in dem Zusammenhang auch gerne despektierlich von „Schwabbelspielern“. Der TD 124 entstammt noch einer Epoche, als alles eine Nummer handfester zuging.

Eine Traumkombination für den anspruchsvollen Heimgebrauch aus den 60er Jahren zeigen wir hier. Das in der einfachen ST 104 Rahmen-Holzzarge eingesetzte Laufwerk ist mit dem englischen SME 3009-Tonarm kombiniert. Damals über 1000 Mark teuer, war diese Konstellation in Kreisen echter Schallplattenliebhaber eine fürstliche Wunscherfüllung. Und das gilt letztlich bis zum heutigen Tage. In einer entsprechenden Anlagenkonfiguration samt hochwertigem Abtastsystem lässt sich auch ein gutes halbes Jahrhundert nach Produktionseinstellung des Plattenspieler-Klassikers das schwarze Gold auf hohem Niveau verkosten. Ein technisch einwandfreies Gerät vorausgesetzt.

 


So etwas nennt man exklusives Modell. Der TD 121 war das auf 33/min Tellerdrehzahl spezialisierte Budgetmodell zum TD 124, hier aber mit dem höchst anspruchsvollen Schweizer Thales-Tonarm bestückt - für optimierten Tangentialfehlerausgleich. Zum Umschalten der Tellerdrehzahl musste das Reibrad händisch umpositioniert werden. 

 

Gebaut wurde der TD 124 von 1957 bis 1967. Restbestände wurden noch bis 1968 geliefert. Ab 1965 gab es die TD 124/ II-Version mit verbesserter Motoraufhängung sowie in den Details Plattentellerauflage als auch Bedienschalter minimal modernisiertem Design. Zudem war das Chassis jetzt in einem neutralgrauen Farbton lackiert. Welcher der beiden Versionen der Vorzug zu geben ist, darüber lässt sich im Grunde nicht streiten. Die hier gezeigte Erstversion ist fürs Auge nostalgisch stimmiger, und die modifizierte Motoraufhängung des Mk. II lässt sich bei Bedarf nachrüsten.

Mit dem TD 124 endet zugleich auch die Zeit der original Schweizer Thorens-Plattenspieler. Der wesentlich einfacher konstruierte TD 150 eröffnete die neue Epoche der preisgünstigen Subchassis-Spieler. Dieses Modell wurde noch in Sainte-Croix entwickelt, dann aber ab 1966 vom neuen Thorens-Mehrheitseigner EMT Elektromesstechnik im badischen Lahr produziert. Im Schweizer Thorens-Werk wurden fortan Filmkameras und Projektoren der Marke Bolex-Paillard hergestellt. Auch dies feinmechanische Perlen der Extraklasse.

 

 

 

 


Mittels Adapterplatte wurde dieser TD 124 um eine zweite Tonarmaufnahme ergänzt. Neben dem EMT-Arm ist nun auch ein SME 3009 im Einsatz.

 

 

 

ANGEBOTSSITUATION

 

Der Interessent trifft heute bei den zumeist im Internet angebotenen Spielern auf drei Sorten von Thorens TD 124: Teilrestaurierte oder überholte Spieler führen die Listen an. Die Qualitäten der durchgeführten Arbeiten sind für den nicht mit der Materie vertrauten Käufer schwer nachzuvollziehen. Kann der Anbieter durch einen TD 124-Experten vollzogene Arbeiten nachweisen, so ist das ein Pluspunkt. Die zweite Gruppe bilden unrestaurierte Geräte in betriebsbereitem Zustand. Auch hier ist der Gelegenheitskäufer mit seinem Latein schnell am Ende. Eine Grundüberholung des Laufwerks sollte in jedem Fall mit eingeplant werden. Eher selten im Angebot sind völlig vergammelte Wracks, die entsprechend günstig nur für den Kenner interessant sind. Wichtig ist bei letzteren die Vollständigkeit. Fehlende Teile lassen sich nur teuer ersetzen.

Dann wären da noch die Profis, bei denen man komplette Spieler erwerben, oder aber seinen Gebrauchtspieler zur Überholung abliefern kann. Etwa bei Tonmechanik Norbert Mahler in Berlin (www.tonmechanik-berlin.de). Nicht zu vergessen besagte Schopper AG in Winterthur (www.schopper.ch), Hanze HiFi in den Niederlanden, oder Riverside Audio, ebenfalls in der Schweiz ansässig.

 


SME 3009 auf dem TD 124 in seiner typischen, zur Einstellung des Überhangs in der Länge verschiebbaren Tonarmaufnahme.

 

 

Thorens TD 124 - Der Weltbeste

 

Kein anderer Plattenspieler hat sich derart tief und felsenfest im kollektiven Bewusstsein und Selbstverständnis der weltweiten Audio-Fans eingenistet, wie der berühmte Schweizer Dreher. Hymnen über dieses Ausnahmeprodukt sind in reicher Zahl im Netz zu finden. Nicht zuletzt hat der TD 124-Liebhaber Joachim Bung mit seinem fast 1000-seitigen, doppelbändigen Buchwerk "Schweizer Präzision" dem Reibradspieler samt zeitgenössischer Konkurrenten ein außerordentliches Denkmal gesetzt.  Deshalb an dieser Stelle keine weiteren Fanfarenstöße getreu der alten Karl Valentin-Weisheit: Über den TD 124 ist schon alles gesagt worden, aber noch nicht von jedem.

Nach über 20 Jahren freudvollem Umgang mit dem 124er nur stichpunktartig ein paar Anmerkungen, die seine Ausnahmestellung nachvollziehbar machen sollen.

1. Er altert nicht und ist immer schön anzusehen, besonders beim Abspielen der jeweils aktuellen Lieblingsplatte.

2. Die Auseinandersetzung mit seiner hochwertigen Mechanik ist für alle "Technikfummler" ein paradisischer Mikrokosmos.

3. Mit dieser Auseinandersetzung begreift man die Faszination Plattenspieler jedesmal aufs Neue.

4. Der Moment, wenn man ihn tatsächlich rumpelfrei bekommen hat. Mein 124er läuft nach Feinarbeit im Detail vergleichbar laufruhig wie ein guter Garrard 401. Also nur noch zarte, sirrende Laufgeräusche vom Motor und Antriebsriemen via Stethoskop wahrnehmbar.

5. Er spielt nicht "besser" als andere Geräte, aber er zelebriert die Musik mit einer ganz eigenen Anmut und Schönheit. Insofern ist er der Beste.

6. Das Design wird mit der aktuellen TD 124 DD-Version in Neuauflage zum Preis von rund 8000 Euro geadelt, wenn auch ohne das mechanische Wunderwerk des Klassikers, sondern mit laufruhigem Direktantrieb.

7. Gerne Mattenexperimente. Aber am besten spielt er mit dem serienmäßigen Kupplungs-Teller und der recht harten Serien-Gummimatte.

8. Wer kein spezielles Öl für Motor- und Tellerlager zur Hand hat, kann stattdessen handelsübliches Hydrauliköl der Klasse 46 nehmen. Das wird von Sinterlager-Herstellern empfohlen. Der Antriebsmotor kann von außen mittels 5 bis 10 ccm großer Einwegspritze und Kanüle gut nachgeölt werden. Das obere Lager ist seitlich direkt erreichbar. Unten am Motor befindet sich seitlich außen im Blechgehäuse eine kleine Bohrung, über die mittels Kanüle das untere Lager bedient werden kann. Zwei kleine (!) Tropfen Öl alle zwei Jahre genügen in den meisten Fällen.

9. Das angeschraubte Tonarmbrett kann mittels (zwischen Schraubenköpfen und unten zum Gusschassis hin) unterlegter O-Ringe entkoppelt werden. Dazu Bohrungen im Brett auf 7 bis 7,5 mm vergrößern, damit die Schraubenschäfte frei - ohne das Holz zu berühren - stehen. Darauf achten, dass das Brett seitlich keinen Kontakt mehr zum Gusschassis hat. (Wer das originale Tonarmbrett erhalten möchte, sollte sich zum Experimentieren Tonarmbretter aus unterschiedlichen Werkstoffen - Naturholz, Acryl, Schichtholz - anfertigen oder zukaufen.)

10. Der unteren Axialführung (Scheiben) des Reibradlagers Aufmerksamkeit schenken. Eine hauchdünne Scheibe Spezialschaumstoff als Dämpfer kann Wunder wirken.

11. Beim Starten des Spielers Teller von Hand leicht anschieben. Das schont die gesamte Antriebmechanik. Als Routinier wechselt man die Platten ohnehin bei laufendem Teller.

12. Und wer gar nicht genug vom TD 124 bekommen kann, der muss sich bei Joachim Bung dessen doppelbändiges Werk "Schweizer Präzision" bestellen.

 

 


Kleines Tuning-Detail für den TD 124: Tonarmbrett über Gummiringe vom Chassis entkoppelt angeschraubt. Das zentrale Geheimnis liegt allerdings im gesamten Antriebsstrang. Hierzu sind jede Menge Tipps im Umlauf. Manche davon funktionieren. Aber genau das macht die Faszination TD 124 aus. Eine Plattenspieler-Erlebniswelt.

Schwere Zarge aus furniertem Multiplex-Schichtholz. Beruhigt das Rumpelspektrum des Riemen-Reibrad-Spielers.

Stark gerilllte und recht harte Gummi-Serienmatte des TD 124. Der ausfahrbare Puck für die 45er Singles ist im Teller integriert.

S-förmig geschwungener Ortofon SMG-212-Tonarm mit kardanischer Lagerung. Damals das Mittelklassemodell im Programm der dänischen Firma. Der heute besonders begehrte RMG-212 kostete damals fast den doppelten Preis, bot dafür ein aufwendiger gefertigtes Gegengewicht mit integrierter Federeinstellung für die Auflagekraft samt ringförmigem Lagerjoch. Der einfachere SKG-212 war ein Drittel günstiger als der SMG-212, von dem er sich durch das einfachere Lagerkonzept unterscheidet. Puristisch waren sie allesamt, ohne Lift und Anti-Skating-Einrichtung. Passt für schwere Oldie-Systeme mit um die drei Gramm Auflagekraft.

Grün zieht. Kein SPU im Ortofon-G-"Tonkopf", sondern ein zeittypisches MM-System aus dem Hause Elac, Modell STS 222. Sehr feiner quadratischer, nackter DM 240-Diamant mit Rundschliff. Das passt und meistert selbst die gefürchteten Paukenschläge auf den einschägig berühmten Telarc-Vorführplatten.